Putin-Erdogan: Beginn einer neuen Ära im Nahen Osten?

Der Besuch Erdogans in Russland markierte den bisherigen Höhepunkt eines Trends, der sich schon seit einigen Wochen abzeichnete – der Annäherung zwischen Moskau und Ankara. Dieser Schritt scheint auf den ersten Blick überraschend, wenn man sich die politische Situation der letzten Jahre in Erinnerung ruft.

Die Vorgeschichte

Im Syrien-Konflikt waren Russland, welches Präsident Assad aktiv militärisch unterstützt, und die Türkei, die Assad stürzen will und deshalb islamistische Kampfgruppen  unterstützt (was sich in der Vergangenheit oft gerächt hat), bis jetzt erbitterte Gegner. Der Konflikt der beiden Staaten gipfelte schließlich im Abschuss eines russischen Kampfjets im syrisch-türkischen Grenzgebiet, was zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen seitens Moskaus gegen die Türkei führte. Diese Sanktionen scheinen  ihren Zweck erfüllt zu haben (im Gegensatz zu den Sanktionen der EU gegen Russland). Nachdem v.a. der türkische Tourismussektor aufgrund des Embargos (zusätzlich zu den Ausfällen aufgrund der Terror-Angst) tiefrote Zahlen schrieb, entschuldigte sich Erdogan offiziell bei Russland für den Abschuss des Kampfjets und verlautbarte den Wunsch die Beziehungen zwischen den Ländern wieder zu normalisieren. Wie der Zufall so will, versuchte nur knapp 3 Wochen später ein Teil des türkischen Militärs Erdogan zu stürzen, wobei dieser die Drahtzieher im Westen vermutet. Dieses Ereignis trieb Erdogan noch mehr dazu die Nähe zum traditionellen Gegenspieler des Westens, Russland, zu suchen. (Es gibt sogar Berichte wonach Erdogan vom russischen Geheimdienst vor dem Putschversuch gewarnt wurde, was ihm möglicherweise das Leben gerettet hat.)

Erdogan als Bittsteller bei Putin

Der Verlauf der Ereignisse der letzten Wochen zeigt, dass die Annäherung der beiden Staaten nicht symmetrisch und auf Augenhöhe verläuft, sondern dass die Türkei als eher als Bittsteller auftritt, weil sie Russland braucht. Erdogan hat (für einen kurzen Zeitraum) den Westen und Russland sich zum Gegner gemacht aber schließlich doch eingesehen, dass das ein sehr schwieriger Zustand für sein Land ist und, dass sich die eigenen Interessen eher mit Russland als dem Westen überschneiden.

Diese, eher einseitige, Annäherung kann kaum ohne Zugeständnisse seitens der Türkei gegenüber Russland stattfinden. Es wäre denkbar, dass es eine Kooperation in Syrien zwischen den beiden Ländern gibt, zu Gunsten des Einflusses Russlands in Syrien, obwohl die Türkei bereits verlautbart hat, dass sie weiterhin den Standpunkt verfolgt, dass Assad gehen muss. Wahrscheinlich sind das jedoch nur mehr leere Phrasen für die Medien. Es ist auszugehen, dass Russland die Türkei aufgefordert hat, die Grenzen zu Syrien zu schließen und so die Nachschubwege für die Islamisten abzuschneiden. Als Gegenzug könnte Russland die Unterstützung der Kurden in Nordsyrien beenden.

Russlands Abhängigkeit von der Türkei

Russland ist auf jeden Fall auch an normalen Beziehungen zur Türkei angewiesen. Das zeigt schon ein Blick auf die Karte (siehe unten). Russische Schiffe aus den Schwarzmeerhäfen müssen auf ihrem Weg zu den Ozeanen (und nach Syrien) den Bosporus und die Dardanellen durchqueren. Eine Sperre dieser Meerengen würde Russland endgültig zu einer Nordasiatischen Regionalmacht degradieren. Weiters darf die militärische Stärke der Türkei nicht unterschätzt werden, gilt sie doch, gemessen an der Truppenstärke, nach den USA als zweitstärkste Militärmacht innerhalb der NATO.

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Ein Blick auf die Karte der Schwarzmeerregion verdeutlicht die geopolitische Abhängigkeit Russlands von der Türkei (Bildquelle: wikipedia.de)
 

Eine neue starke Achse im Nahen Osten

Durch die Zusammenarbeit der Türkei mit Russland in militärischen Belangen zeichnet sich eine neue (schiitische) Achse im Nahen Osten ab, die vom Iran über den Irak und Syrien nun auch die (sunnitische) Türkei und eben Russland umfasst. Im Hintergrund steht die aufstrebende Supermacht China dieser Entwicklung sehr wohlwollend gegenüber, was die Kooperation im Weltsicherheitsrat zwischen China und Russland z.B. im Atomstreit mit dem Iran zeigt. Diese Achse steht dem bisher domnierenden (sunnitischen) Block aus Saudi-Arabien, den Golf-Emiraten und Israel mit den USA und der EU im Hintergrund gegenüber.

Wechselt Israel die Seiten?

Äußerst interessant in diesem Zusammenhang ist das Bemühen Moskaus Israel auf seine Seite zu ziehen, das sich während der Amtszeit von Obama von den USA zunehmend entfernt hat. Russland und Israel haben schon mehrmals betont, dass man militärische Aktionen in Syrien miteinander abspricht und loben die gemeinsame Zusammenarbeit. Russland verweigerte zudem (vermutlich aufgrund von Rücksichtnahme auf Israel) in der Vergangenheit Luftunterstützung für die Hizbollah, die auf Seiten Assads in Syrien kämpft (was zu deren schweren Niederlage südlich von Aleppo beigetragen hat).

Fazit

Die Karten im Nahen Osten scheinen also gerade neu gemischt zu werden und der amerikanische Einfluss in der Region könnte darunter stark leiden. Auf jeden Fall sind die Entwicklungen dort für Europa genau zu beobachten, da Europa von einem stabileren Nahen Osten besonders profitieren würde.

 

Titelbild-Quelle: flags.de

8 Kommentare zu „Putin-Erdogan: Beginn einer neuen Ära im Nahen Osten?“

  1. Einem Punkt würde ich widersprechen: China ist bereits eine Supermacht. Das aufstrebende Moment ist schon seit einigen Jahren vorbei, aber ansonsten ein sehr guter Artikel.

    Eine andere Frage kam mir beim Lesen allerdings noch: Wird diese Entwicklung auch einen Einfluss auf die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO haben? Sicher werden es die USA nicht hinnehmen, dass ein NATO-Mitglied mit dem erklärten Feind paktiert.

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    1. Du hast recht, China ist bereits eine Supermacht. Ich denke aber, dass China dennoch noch viel Potential hat. Das Land ist gerade mit seiner internen Entwicklung beschäftigt und hält sich klugerweise aus internationalen Konflikten weitgehend heraus. Aber der Streit im Südchinesischen Meer zeigt schon, dass China bereit ist für seine Interessen einzutreten und das chinesische Militär entwickelt sich ständig weiter. Allerdings sehe ich hier auf lange Sicht auch Konfliktpotential mit Russland.

      Bezüglich NATO und Türkei: Vielleicht hat die NATO ja schon vor ein paar Wochen reagiert? 😉 Erdogan behauptet ja, dass der Westen hinter dem Putsch steckt, der 3 Wochen nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Russland und der Türkei stattfand. Aber diesen Gedanken halte ich für ziemlich gewagt.
      Die NATO kann die Türkei auf keinen Fall verlieren, dafür ist sie zu wichtig. Ich denke die Türkei ist klug genug um Vorteile für sich aus der Situation zu ziehen. Man wird zwar enger mit Russland zusammenarbeiten aber nicht allzu aktiv auf deren Seite eingreifen. Für Russland würde es ja auch schon reichen, wenn die Türkei keine Assad-Gegner mehr unterstützt.

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      1. Ich finde diesen Konflikt im Südchinesischen Meer sehr bedauerlich. Für Asien wäre es weitaus besser und klüger, wenn sich die Nationen, ähnlich der EU, zusammenschlössen. Allein die Kraft Japans, Südkoreas und Chinas wäre schon beeindruckend.
        Was hältst du eigentlich von dieser Schanghaier Organisation (SOZ), die gern mal als der Gegenpart zur NATO gesehen wird?

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  2. Ehrlich gesagt habe ich mich mit der ostasiatischen Politik noch wenig auseinandergesetzt. Soweit ich weiß ist das Verhältnis zwischen Japanern und Chinesen aufgrund der Geschehnisse während des 2.WK noch immer sehr angespannt. Das gilt auch für Koreaner und Japaner. Ich denke, dass es sehr schwierig wird, dass diese Staaten näher zueinander finden., obwohl es sicher zu ihrem Vorteil wäre.

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  3. Erdogans vermeintliche Annäherung an Russland, scheint mir – wie vieles
    in der türkischen Politik – nur eine Finte zu sein, um so die USA dadurch
    zu zwingen sich wieder fest an seine Seite zu stellen, um nicht einen seiner
    Schurkenstaaten-Verbündeten etwa an Russland zu verlieren. Die USA
    fielen auch sogleich darauf rein, indem sie Hals über Kopf ihre kurdischen
    Verbündeten, übrigens die Einzigen, die einen ehrlichen Kampf gegen den
    IS geliefert, verraten und verkauften, um sich auf Erdogans Seite zu schlagen.
    Dieser Verrat zeigt allerdings alle Verbündeten der USA, dass es sichtlich
    angeraten ist, sich nicht auf die Schutzmacht USA zu verlassen. Damit
    spielt man deren Gegner in die Hände.
    Erdogan hingegen, der gerne auf allen Hochzeiten mit tanzen will, wird schon
    früh genug merken, dass er sich so nur zwischen alle Stühle setzt und damit
    um so mehr die Türkei zu einem Spielball der Großmächte gemacht.
    Was China angeht, so kann es sich diese Großmacht leisten, dem Spiel nur
    beizuwohnen und allenfalls Russland verbal zu unterstützen. Streiten sich
    zwei, freut sich der Dritte. Und China wird durchaus der lachende Dritte
    sein.
    Sichtlich kommt in diesem Spiel es allen gelegen, das der türkische Despot,
    der meint auf einem Kamelhöcker sitzend nun einen Weltmachtthron inne
    zu haben, allen Mächten gerade recht, um als Trumpfkarte im Politpoker
    ausgespielt zu werden. Wer vorzeitig aus der Deckung kommt, hat schon
    verloren. Erdogan weiß es nur noch nicht !

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    1. Ich gebe dir recht! Als ich den Beitrag geschrieben habe war die Lage noch etwas unklar aber inzwischen haben sich die Ereignisse überschlagen. Das bessere Verhältnis mit Russland hat Erdogan dazu genützt in Nordsyrien einzumarschieren. Wie weit Russland damit einverstanden war ist schwer zu sagen. Offiziell hat man dagegen protestiert aber wahrscheinlich hat man sich darüber abgesprochen. Nach den Zwischenfällen in Hasakah bei denen sich Regierungstruppen und Kurden heftige Kämpfe lieferten, kamen plötzlich Andeutungen aus Ankara, dass man sich eine Zukunft von Assad doch vorstellen könnte. Danach der Verrat der Amerikaner an den Kurden. Leider haben es die Kurden sehr schwierig. Sie waren für die Amerikaner eine Zeit lang ein nützliches Spielzeug, aber sie waren es doch nicht wert einen der stärksten Verbündeten zu verlieren, deshalb lässt man sie jetzt fallen. Aber sie haben auch, realistisch betrachtet, wenig Optionen. Der einzige nennenswerte Staat, der an einem freien Kurdistan Interesse hätte ist wahrscheinlich Israel. Die Großmächte haben alle Verbündete, denen zu starke Kurden ein Dorn im Auge sind.

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      1. Obwohl er und seine Politik mir überhaupt nicht sympathisch ist, muss man sagen, dass in den letzen Wochen alles zu Gunsten Erdogans läuft. Er setzt nun seine Pufferzone in Syrien durch und vertreibt die Kurden zumindest vom westlichen Euphrat-Ufer. Die Großmächte lassen in gewähren weil sie gute Beziehungen zu ihm halten wollen.

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