Viel ist geschehen in den letzten Monaten in Syrien, vieles davon kam anders als erwartet. Das herausragendste Ereignis war sicherlich die Rückeroberung der östlichen Stadtteile von Aleppo durch Regierungstruppen. Diese Operation ist, der medialen Hysterie zum Trotz, ohne übermäßige zivile Opfer und überraschend schnell verlaufen.
Im November setzte sich Donald Trump, entgegen allen Wahlprognosen, gegen Hillary Clinton durch und wird neuer US-Präsident. Trump könnte für eine Verbesserung der Russisch-Amerikanischen Beziehungen sorgen, außerdem hat er angekündigt keine Regime-Changes betreiben zu wollen.
Weiters scheint sich die Zweckpartnerschaft zwischen Russland und der Türkei zu festigen, obwohl es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommt z.B. bei der Frage nach der Zukunft Assads. Allerdings hat nicht einmal die Ermordung des russischen Botschafters das Tauwetter beendet. Mittlerweile unterstützt die russische Luftwaffe sogar die türkische Armee mit Luftschlägen auf die, vom IS gehaltene, nordsyrische Stadt Al-Bab. Die Türkei unter Erdogan ist sicher alles andere als ein verlässlicher Partner und hat mit Russland traditionell ein schwieriges Verhältnis. Eine Übereinkunft zwischen den beiden Nationen ist jedoch Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Syrien. In einem vorherigen Beitrag habe ich beschrieben was eine russisch-türkische Allianz für die Region bedeuten könnte.
Russland und die Türkei (ohne die USA!) haben nun einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien vermittelt und angekündigt eine Konferenz in Astana einzuberufen bei der ein dauerhafter Frieden ausverhandelt werden sollen.
Es gibt jedoch auch Kritiker an dem Versuch einer diplomatischen Lösung des Konflikts (u.a. Präsident Assad). Diese führen oft den berechtigten Einwand an, dass man mit Terroristen nicht verhandeln könne. Man muss dabei allerdings beachten, dass die einzige Alternative zu einer diplomatischen Lösung, ein totaler militärischer Sieg einer Konfliktpartei, innerhalb der nächsten Jahre aus den folgenden Gründen sehr unwahrscheinlich ist:
- Stellvertreterkrieg: Bei dem Konflikt handelt es sich nicht um einen „einfachen“ Bürgerkrieg zwischen Aufständischen und der Regierung. Viele regionale und überregionale Mächte haben in Syrien Interessen und unterstützen die Konfliktparteien finanziell, mit Waffen und sogar mit Kämpfern. Ohne eine Lösung, die diese Staaten zufriedenstellt, wird es keinen Frieden geben, da immer wieder Eskalationen herbeigeführt werden können.
- Grenzen nicht unter Kontrolle: Solange die syrische Regierung keine Kontrolle über ihre Grenzübergänge hat, können weiterhin Massen an ausländischen Kämpfern und Waffen für die Aufständischen ins Land geschleust werden. Dieser Zustand kann eine endgültige Entscheidung im Krieg zumindest um Jahre hinauszögern, die wiederum zehntausende von Opfern fordern werden. Ein Blick auf die derzeitigen Frontverläufe in Syrien zeigt, dass die Regierungstruppen weit weg von einer Schließung der Grenzen zur Türkei, zum Irak, zu Jordanien und zu Israel stehen.

- Geringe Kampfkraft der syrischen Armee: Der bittere Verlust Palmyras im Dezember und die Niederlagen in Nord-Hama im Sommer haben wieder einmal deutlich gezeigt, dass die Syrisch Arabisch Armee (SAA) im offenen Kampf dem Islamischen Staat und den anderen Jihadistengruppen deutlich unterlegen ist. Besonders ärgerlich ist, dass Rückzüge oft völlig panisch und ungeordnet erfolgen wodurch den Jihadisten immer wieder Massen an Waffen, Munition und Panzern in die Hände fallen. An vielen Fronten kann sich die Armee nur dank intensiver (russischer) Luftunterstützung und verbündeten Paramilitärs (z.B. Hisbollah) behaupten. Zu Offensiven sind nur einige wenige Eliteeinheiten (Tiger Forces, Desert Hawks) fähig. Dieser Umstand ist auch der langen Dauer des Krieges geschuldet, dem zu viele motivierte (z.B. alawitische) Regierungssoldaten zum Opfer gefallen sind.
- Verfeindete Staatsbürger: Der lange opferreiche Krieg hat noch mehr Gräben zwischen den einzelnen Volksgruppen und Konfessionen aufgerissen als ohnehin schon davor vorhanden waren. Selbst wenn die Mehrheit der Syrer hinter Assad stehen (auch aus Mangel an vernünftigen Alternativen) kann auch ein totaler militärischer Sieg nichts an der Tatsache ändern, dass Millionen von syrischen Staatsbürgern Assad hassen und ihn nicht als ihren Präsidenten akzeptieren. Auf dieser Basis lässt sich kein stabiler Staat wiederaufbauen.
Fazit: Da eine militärische Lösung des Konflikts in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist und auch keine dauerhafte Stabilität bringen würde, kann das Ziel für Syrien nur eine diplomatische Lösung sein um das jahrelange Blutvergießen endlich zu beenden.
In einem weiteren Beitrag werde ich Überlegungen anstellen, wie so eine Lösung aussehen könnte.
Quelle Titelbild: newsnetz.ch